8. Oktober 2017

Und dann fährt man plötzlich seinen ganz eigenen Film...




It´s too late now
to stop the process.
This was your choice,
you let it in.
This double life you lead
is eating you up from within
A thousand shards of glass
you pushed beneath my skin
left me lying the to bleed.
                                         - Broken pieces - Apocalyptica


Jetzt gerade habe ich das Bad geputzt. Eine erstaunlich entspannende Tätigkeit, wenn ich an den Stress diese Woche denke. 
Ich habe mir diese Putzschicht allerdings auch sehr angenehm gestalten können, mein Mitbewohner war nämlich nicht da. Also habe ich mir meinen iPod genommen, alte Musik gehört und laut (und schief) mitgesungen :)

Triggerwarnung Essstörung

Dabei ist mir dieses Lied untergekommen: "Broken Pieces - Apocalyptica".
Besonders die oben stehenden Zeilen habe ich immer stark mit der Dunkelheit in mir verbunden, den kranken Teil von mir. 
Weil. Naja. Gerade diese essgestörte Zeit in meinem Leben, die hätte es wohl nicht gegeben, wenn es in mir nicht die Entscheidung dazu gegeben hätte, jetzt auch zu diesen Mädchen zu gehören, die so verloren und alleine auf Blogs und in Foren nach Gesellschaft oder Zusammengehörigkeit gesucht haben. Es gab Monate, in denen ich jeden Tag auf so einem Blog gelesen habe, ich habe ständig nach Twins bzw. Abnehm-Challenges gesucht. An eine davon erinnere ich mich noch gut. 
Sie ging 3 Wochen, wir waren 6 Mädchen, und Ziel war einfach, jede Woche 2 kg abzunehmen.
Ich erinnere ich mich so gut, weil ich noch bei meiner Mutter wohnte. Wir haben Mittags immer zusammen gegessen, manchmal auch Abends. 
Das Frühstück konnte ich also immer ausfallen lassen, aber ich war einfach so in diesem Challenge Wahn, dass ich dann das Mittagessen auch oft wieder erbrochen habe. 
Das "Problem" war halt immer, dass wenn ich einmal etwas zu essen vor mir stehen hatte, dann habe ich es gegessen. Und irgendwie sogar genossen. Und deswegen habe ich mich dann gehasst. 
Am Ende dieser Challenge hatte ich 4 statt 6 Kilo abgenommen, war mit 52 kg immer noch "die Dickste", das Mädchen, dem man niemals angesehen hätte, das etwas nicht stimmt. Und ja. Deshalb habe ich mich noch mehr gehasst. 
Ich konnte im normalen Leben schon nicht perfekt sein. Und in dieser Parallelwelt, die ich mir mehr oder weniger selbst ausgesucht habe, da konnte ich es auch nicht. Ich fühlte mich wie ein Versager. 
Etwas früher wurde ich von vielen Menschen verlassen, und eventuell habe ich das unterbewusst in Verbindung gebracht. 

Dass ich verlassen werde, weil ich unperfekt bin. Zumindest passt das zu den Grundüberzeugungen und Gedanken, die ich noch heute oft in Situationen mit Menschen habe, die mir am Herzen liegen.
Dass ich verlassen werde, wenn ich nicht gut genug bin. Dass ich entweder krank oder perfekt sein muss, damit Menschen mich lieben und für mich da sind. 

Triggerwarnung Ende

Im Moment liebe ich Regenbögen, sie erinnern mich an einen ganz besonders schönen Tag. 

In der Therapie kommen wir immer wieder auf diese Grundüberzeugungen. Gefühlt drehen wir uns im Kreis, kommen immer wieder zu meiner Wunderlösung, mir selbst Zeit zu geben, meine Bedürfnisse nicht unter die von anderen zu stellen. Leben, weitermachen, Beweise sammeln. Dafür, dass meine Grundüberzeugungen nicht stimmen. Wir lachen manchmal schon darüber, dass ich diese Wunderlösung kenne, schon so oft angewendet habe, und dann, plötzlich, scheint sie unerreichbar, weil meine Unsicherheit mich anschreit: NEIN NEIN NEIN, das darfst du nicht, das ist schwach, oder egoistisch oder schlicht und ergreifend unperfekt.

Manchmal fühle ich mich lächerlich, dass wir immer wieder an den gleichen Punkt kommen. Dass es mir so schwer fällt, mit so einfachen Dingen wie einem Gedanken umzugehen. 
Am Ende der letzten Stunde hat sie gesagt: "Es ist eben nicht so einfach, weil diese Grundüberzeugungen so viel hartnäckiger sind, als neue, schöne Erfahrungen. Das Schlechte ist immer Hartnäckiger, aber Sie haben schon so viel geschafft seit Sie hier her kommen. Und haben gelernt, das gute Dinge Zeit brauchen. Also ist doch alles gut. Sie müssen sich das nur glauben. Viel Spaß mit Ihrem blauen Glück" (draußen schien die Sonne plötzlich :D
An dem Tag bin ich hingegangen, und war kurz vorm Weinen, weil ich so voller Gefühle war, dass ich am liebsten wieder meine  Leere gehabt hätte. 
Rausgegangen bin ich erleichtert. 
Weil ich wusste. 
Dass es weitergeht. 


Ihr wisst jetzt langsam bestimmt, dass es da jetzt eine "Liebste" in meinem Leben gibt. Die Zeit mit ihr ist einfach wundervoll. Wunder-voll.
Sie hat mir schon einige Male bewiesen, dass ich doch lieben kann. Dass ich plötzlich von einem Gefühl durchdrungen sein kann, dass mir auf positive Art und Weise die Luft zum Atmen nehmen kann. 
Aber die braucht man ja nicht, wenn man ein Fisch ist. 
Nur manchmal werde ich ein Igel. 
Wenn sie mich anstubst, mit einem Satz, mit einem Blick. Mit etwas, was meine Stärke bröckeln lässt. Weil sie einen Gedanken anspricht: 

"Ich mache das hier gerade nicht Richtig. Etwas habe ich falsch gemacht."

Ich bin kaum kritikfähig, innerhalb von kürzester Zeit schalte ich ab, mache dicht, aus Selbstschutz, weil die Angst kommt. Die Angst plötzlich verlassen zu werden. Ich kugel mich ein. Bis die Gefahr gebannt scheint. Oder ich fange an zu weinen und werde eine Dramaqueen. Oder ich werde gar eine Zicke.
Ich weiß dann in der Situation manchmal schon gar nicht mehr, warum das jetzt passiert ist, warum ich mich fühle, als hätte jemand Watte in mein Gehirn gestopft. Und doch sitzt da dein Kommunikationspartner und wartet auf eine Antwort, einen Satz, irgendeine Reaktion.
Manchmal auf eine Reaktion auf etwas, an das ich mich gar nicht mehr erinnern kann. 

Genau das ist gestern passiert. Das glaube ich zumindest. Das Gute von meiner Seite war: Ich hab wenigstens nicht aufgelegt :D Ich habe versucht, mich der Situation zu stellen. 
Das Gute von ihrer Seite war, dass sie weiter nachgefragt hat. Bis ich irgendwann versucht habe, ihr die Sache zu erklären. Das war vielleicht nicht das schönste Gespräch, das wir in letzter Zeit hatten, aber doch hoffe ich, dass ich daraus lernen kann. Weitere Dinge, wie wir miteinander reden können. 
Sie weiß jetzt, dass es da meine Grundüberzeugungen gibt, die mir sagen, was ich tun sollte, und dass es manchmal schwierig ist, das zu tun, was ich möchte, weil das eben nicht zusammenpasst.

Und ich weiß jetzt, dass ich AUF KEINEN FALL vor diesen Gesprächen weglaufen sollte, dass die sogar nötig sind, wenn man eine Beziehung führen möchte. 

Auch dazu hat meine Therapeutin etwas gesagt (jaah, sehr ergiebige Stunde letztes mal :D):
"Wenn ich so an ihre ersten Stunden hier denke... das war schon ein ziemliches rumgeeiere. Bis Sie sich mal entschieden hatten, dass Sie mir vertrauen können und dass Sie richtig gehandelt hatten mit Ihren Problemen so nicht mehr weitermachen zu wollen, das hat ja schon ewig gedauert. 
Vielleicht ist es mit ihrer Freundin das Gleiche. Vielleicht müssen Sie erst lernen, dass Sie Sie selbst sein können, ohne dass Ihnen der Kopf dafür abgerissen wird. Müssen vertrauen lernen und erst dann können Sie RICHTIG anfangen, diese Beziehung zu führen und zu gestalten."


Soo. Das waren jetzt viele Worte. Dinge, die mich momentan jeden Tag beschäftigen. Aber auch beschäftigen sollten, gerade die Wunderlösung :)
Und danke für diese Worte, die mir geschenkt wurden. Sie bedeuten mir sehr sehr viel:


"Und ich will ja das da. Und keine perfektionierte Version davon."

Eure Neva